Montag, 23. Mai 2011

Die Wall Street ist eine Einbahnstraße

Das Cup Cake Café wurde uns ganz toll beschrieben und wird in mehreren Reiseführern belobigt. Wir haben es uns heute zum Frühstück gesucht. Sehr unscheinbar halb unter einer Eisenbahnbrücke, voll mit alten Möbeln, servieren sie dort angeblich den besten Cappuccino der Stadt. Nicht schlecht, besonders die Muffins schmecken. Aber was an dieser abgefuckten verlassenen Bude so herausragend sein soll, haben wir nicht entdeckt.

Zum Studieren des Reiseführers reicht es aber allemal, ein Prozess, an dessen Ende der Plan steht, das Besichtigungsprogramm am Ground Zero zu starten. Leider ist hinter den hohen Absperrungen die Baustelle nicht erspähen. Bob der Baumeister hätte sie gerne in aller Ruhe überblickt. So aber war nur eine Sneak Preview eingerichtet, in der die Zukunft des Ground Zero ersichtlich gemacht wird.

In New York wird mir übrigens auch bewusst, wie ungeheuer verschleiernd der Ausdruck 9/11 wirkt, politisch überkorrekt. Gestern habe ich zum ersten Mal vom „World Trade Massaker“ gelesen. Im ersten Moment verstörend direkt, aber eigentlich trifft das die Ereignisse viel besser. Klar, allzu versöhnlich tönt so eine Sprachregelung nicht, aber ehrlicher. Käme jemand auf die Idee, das Massaker von Srebrenica sprachlich zu beschönigen? Wohl kaum. Aber wir benennen das Unsagbare Ereignis in New York nichtssagend mit 9/11.

Wir ziehen zum Hudson River weiter, die Wolken steigen ein paar Stockwerke herunter, es beginnt leicht zu nieseln. Gespenstisch ausgestorben präsentiert sich die Esplanade. Richtung Battery Park kommen historische Hochhäuser zum Vorschein. Riesige Burgen in traditioneller Architektur, noch bevor man begann, Quader aus Stahl und Glas zu konstruieren.

Wir nähern uns Börse und Wall Street, in die Autos nur nach vorheriger Inspektion durch Suchhunde einfahren dürfen. Das Straßenbild wird hauptsächlich von Touristen geprägt, Investmentbanker sind keine zu sehen. Dafür gewinne ich vor Ort eine andere wichtige Erkenntnis: Die Wall Street ist eine Einbahnstraße. Geld fließt immer dort hin, wo schon welches ist.

Nach kurzem Stopp & Shop am Pier 17 marschieren wir weiter nach Chinatown. Dass es dort viele Chinesen gibt, überrascht nicht weiter, auch nicht, dass dort die meisten Läden chinesisch angeschrieben sind. Aber dass wir praktisch die einzigen Menschen westlicher Abstammung sein zu scheinen, hätten wir nicht unbedingt erwartet.

Schnell ein Fast Food zum Abendessen, dann geht’s ab nach Harlem. Nick’s Pub, der Jazz-Club, den wir rausgesucht hatten, ist, wie wir enttäuscht feststellen müssen, vorübergehend geschlossen. Dafür tauchen wir im Showman’s Café auf, kurz zögernd, aber man heißt uns energisch eintreten. Eine Handvoll ältere Herren sitzt an der Bar, am gesprächigsten Wayne. Jazz gibt es leider heute keinen. Aber jede Menge Tipps, wo wir in den nächsten Tagen den besten solchen zu hören kriegen. Leider sind wir für alles nicht lange genug in NY.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen